Gedenken zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus in Zeitz
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- Kategorie: Sachsen-Anhalt
- Veröffentlicht am Freitag, 08. Mai 2020 13:31
- Geschrieben von estro
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Heute fand auf dem sowjetischen Ehrenfriedhof in Zeitz eine Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus statt. Bei erfreulich hoher Teilnehmerzahl wurde nachfolgende Rede gehalten und Blumen niedergelegt.
Liebe Anwesenden,
Am 08.05.1945 kapitulierte die faschistische Wehrmacht im sowjetischen Oberkommando in Berlin Karlshorst. Es spielt hier keine wirkliche geschichtliche Rolle, daß die Vertreter des Oberkommandos der Wehrmacht wegen einiger Formalien und geänderter Textformulierungen tatsächlich erst wenige Minuten nach 00:00 Uhr des 09. Mai unterzeichneten. Die Kämpfe selber waren schon einige Tage zuvor beendet. Nach Hitlers Selbstmord am 30.04.1945 hatte General Weidling als letzter Kampfkommandant von Berlin dort bereits am 02.05.1945 die Einstellung aller Kämpfe befohlen.
Wir stehen heute hier und das ist uns wichtig, weil wir diese Vorgänge und die Folgen als wirkliche Befreiung empfinden, als Befreiung vom deutschen Faschismus, wozu ja leider das deutsche Volk nicht selber in der Lage war. Der deutsche Faschismus verwüstete den größten Teil Europas, Deutschland selber eingeschlossen. Daher: Wir gedenken der Befreiung und der Befreier in Dankbarkeit, auch das Deutsche Volk befreit zu haben vom Faschismus, dieser Geißel der Menschheit. Und wir gedenken der schrecklichen Blutopfer, welche die Befreiung kostete.
Es waren Opfer aus vielen Ländern.
Aber die größten Blutopfer trugen die Völker der Sowjetunion. Sie trugen die militärische Hauptlast der Kämpfe und des Sieges. Dazu hier nur eine Anmerkung: Die Personalverluste der faschistischen Wehrmacht an der sogenannten Ostfront – also gegen die sowjetische Rote Armee – betrugen zwei Drittel bis Dreiviertel ihrer Gesamtverluste, waren also mehrfach höher als gegen alle anderen deutschen Kriegsgegner zusammengenommen. (Die relativ unpräzisen Angaben resultieren aus dem Umstand, daß ab Oktober/November 1944 Millionen deutsche Soldaten aller Ränge und Dienstgrade bemüht waren, in westliche Gefangenschaft zu geraten. Das wird dann von einigen Wissenschaftlern bei den Verlustziffern und den zunehmenden Auflösungserscheinungen unterschiedlich gewichtet.) Jedenfalls in keinem einzigen Kriegsmonat waren es an der „Ostfront“ weniger deutsche Verluste als 36.000 Mann, aber durchschnittlich verloren die Nazitruppen gegen die Rote Armee monatlich etwas über 120.000 Mann, also in 3-4 Monaten einen ganzen deutschen Geburtsjahrgang Männer i. H. v. 400.000 bis 500.000 Mann.
U. a. auch diese Tatsachen sollten Anlaß sein und bleiben, daß von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen soll. Diese Erkenntnis galt offiziell auch in beiden deutschen Staaten bis zum Untergang der DDR. Wer die DDR persönlich erlebte, wird ihr Friedenswillen als ernsthafte und ehrlich gemeinte politische Absicht und täglich praktizierte Politik auch zubilligen, ganz unabhängig von seinen weiteren Ansichten über sie. Aber auch in der damaligen BRD wäre es undenkbar gewesen, etwa Auslandseinsätze der Bundeswehr zu fordern und zu betreiben, wie es heute immer offener und nachdrücklicher geschieht. Das ist nicht bloß bedauerlich, sondern falsch und gefährlich – auch für Deutschland selber.
Zumindest dies sollte uns der 2. Weltkrieg, sein Ausgang und insbesondere die vielen Opfer lehren, ja als Pflicht vor unserer Geschichte auferlegen.
Von solcher Lehre ist leider in der praktischen Politik der heutigen BRD nichts zu bemerken. Da gab es mit Beteiligung der BRD 1999 einen NATO-Überfall auf die Republik Jugoslawien. Ohne UNO-Mandat und absolut völkerrechtswidrig. Auch ein eventuell rechtfertigender Angriff Jugoslawiens auf irgendein NATO-Land war nicht erfolgt. Ist das Neudeutschlands geschichtliche Lehre aus dem verbrecherischen deutschen Nazi-Krieg?
Die Sowjetunion zog alle ihre Truppen aus Deutschland zurück, die NATO versprach – wie der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Willi Wimmer noch heute bezeugt – ihr Gebiet „keinen Zoll“ nach Osten zu verschieben. Was erleben wir heute tatsächlich? NATO-Truppen – Bundeswehr-Verbände inbegriffen – stehen unmittelbar an der russischen Grenze! Allerdings war es unbegreiflicher Leichtsinn der seinerzeitigen sowjetischen Staatsführung, diese Übereinkunft nicht vertraglich zu fixieren und stattdessen einer mündlichen Zusage zu vertrauen. Ich hoffe stark und sehe auch ernsthafte Anzeichen dafür, daß auf russischer Seite mittlerweile eine differenziertere Sicht auf die Dinge entwickelt wurde.
Es ist nicht anzunehmen, daß nach derartigem Wortbruch atomwaffenfähige Raketenstellungen der NATO in Rumänien und demnächst in Polen in Rußland unbeachtet bleiben. Man wird von dort antworten.
Es wäre die Pflicht einer deutschen Regierung, aus diesem furchtbaren 2. Weltkrieg zu lernen und nachdrücklichst auf Frieden in der Welt hinzuwirken anstatt gewissenlos für die „Verteidigung deutscher Interessen am Hindukusch“ zu hetzen, wie es seinerzeit SPD-Verteidigungsminister Peter Struck tat und wie es jetzt auch noch von anderen deutschen Politikern mehrfach zu vernehmen war. Das ist keine Politik im deutschen Interesse, jedenfalls nicht im Interesse breiter deutscher Bevölkerungsschichten.
Ganz unbegreiflich ist aber nicht, was Struck und seinesgleichen absondern. Es werden wirklich Interessen „verteidigt“. Bei diesen Interessen geht es um Ländereien, Rohstoffe, Bergwerke, Betriebe, Arbeitssklaven. Das sind diese Interessen! Auch in Nazideutschland gab es selbstverständlich solche Interessen, u. a. im damals geheimen „Generalplan Ost“ waren sie deklariert. Derlei sogenannte Interessen gibt es aber nicht erst seitdem, sondern schon seit sehr langer Zeit. Und sie bestehen noch heute fort, mitunter in veränderter Form, modernisiert, aufgehübscht, aber prinzipiell gleichbleibend.
Kriege entstehen daher nicht unerklärlich irgendwie, sondern werden von Menschen eben solcher „Interessen“ wegen herbeigeführt – und Menschen können sie auch verhindern. Und dahin muß es kommen, wenn wir nicht von immer größeren Katastrophen bis hin zur Menschheitsvernichtung betroffen sein wollen.
Es ist dazu aber dringend notwendig, daß völlig andere Interessenten mit gänzlich anderen Interessen nachdrücklichst ihre eigenen Interessen vertreten. Was hat der Klempner für Interessen, die Verkäuferin, der Arzt, der Ingenieur, die Friseuse, der Lokführer oder der Gärtner? Welche Interessen hätten die am Hindukusch zu verteidigen? Fragt danach ein Struck oder andere seinesgleichen?
Wenn wir solche Zusammenhänge und Ursachen immer bedenken, dann gedenken wir der Opfer wahrhaftig, würdigen und ehren sie richtig. Das wäre im Sinn dieser Opfer.
Selbstverständlich betont allerdings z. B. auch die NATO jederzeit und überall ihre Friedensliebe und ihre ausschließlich auf Selbstschutz und Verteidigung orientierte Friedenspolitik. Doch nicht nur der NATO-Überfall auf Jugoslawien von 1999 oder die Drohnenkriegsführung mittels des in Deutschland befindlichen Luftwaffenstützpunkts Ramstein der US-Air-Force entlarvt das als Lüge. Gemäß den NATO-Verträgen tritt der Bündnisfall nur ein bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied. Hat Syrien etwa ein NATO-Land angegriffen? Warum wird dort eine gewählte und rechtmäßig amtierende Regierung von NATO-unterstützten und von ihr bewaffneten Freischärlern bekämpft? Da hilft auch kein NATO-Verweis auf angebliche oder tatsächliche Handlungen oder Unterlassungen der dortigen Regierung. Nach UNO-Charta und somit nach Völkerrecht sind dies innere Angelegenheiten jedes Staates und äußere Eingriffe sind nur unter dem Mandat des UN-Sicherheitsrates zulässig. Also nicht eine NATO-Selbstmandatierung – wie 1999 in Jugoslawien geschehen – ermächtigt zu militärischem Einschreiten in fremden Ländern, sondern ausschließlich ein Mandat des UN-Sicherheitsrates. Gilt auch z. B. in Syrien.
Wir erinnern uns: Die UNO und ihre rechtlichen Möglichkeiten und Einschränkungen wurden geboren eben aus den Erfahrungen mit den Naziverbrechen und den Naziverbrechern.
Daran sollten wir denken. Wir schulden es den Opfern und uns selbst. Wir müssen alle Kräfte unterstützen, welche, anstatt die UNO weiter zu zerstören, diese UNO und ihre Bedeutung wieder herstellen wollen.
Frau Kriegsminister Kramp-Karrenbauer von der CDU/CSU möchte 45 atomwaffenfähige Kampfflugzeuge in den USA kaufen. Ist das eine Lehre aus dem 2. Weltkrieg? Die BRD unterzeichnete den Atomwaffensperrvertrag. Was soll das also bedeuten? Zudem: Sollte es zu einem Krieg kommen mit nichtkonventionellen Waffen, dann wird von dem kleinen Deutschland eine verglaste Wüste bleiben.
Wir haben ein kaputtgespartes Gesundheitswesen, wir haben als ein rohstoffarmes und auf Veredlung angewiesenes Land ein immer armseligeres Bildungswesen. Als echte Veredlungsökonomie sind wir unverzichtbar angewiesen auf ein leistungsfähiges und nach oben durchlässiges Bildungssystem, was gegenwärtig aber an die Wand gefahren wird. Denken wir an die Schulschließungen. Dort liegen die Anforderungen an ein zukunftsfähiges Deutschland. Nicht bei den atomwaffenfähigen Bombern.
Gewiß hat die Politik des faschistischen Deutschland mit ihren schlimmen bis katastrophalen Folgen für alle damals Beteiligten auch in Deutschland zu einem Lernprozeß geführt. Viele in Deutschland haben gelernt: Nie wieder Krieg! Manche andere lernten anscheinend leider nur: Jedenfalls zur Zeit nicht. Und manche vielleicht gar nur: Naja, aber das nächste Mal anders …
Aber wirklich alle sollten wissen und begreifen: Wer den Angriffs- und den sogenannten Präventivkrieg nicht aus sittlichen Gründen ablehnt, der sollte ihn zumindest im Eigeninteresse ablehnen, denn jedermann selber oder seine Angehörigen kann Opfer werden. Und diese Wahrscheinlichkeit wächst mit der Fortentwicklung der Waffentechnik und technischer Möglichkeiten der Kriegführung.
Besser wäre allerdings die vernünftige Einsicht, daß die Erstanwendung von Gewalt immer ein sicheres Zeichen verdrängter und ungelöster eigener Probleme ist. Und noch vernünftiger ist, es dazu nicht erst kommen zu lassen und rechtzeitig zu überlegen und gegenzusteuern. Bedauerlicherweise ist derlei in der heutigen BRD kaum zu erkennen. Wollen das die dafür politisch Verantwortlichen nicht oder können sie es nicht? In beiden Fällen ist die Antwort eine Forderung: Dann dürfen sie solche Machtpositionen nicht besetzen. Jedermann ist aufgerufen, daran mitzuwirken.
VKPM